Carlos Miragaya
kibibiki
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Wenn wir uns „die Arbeit machen, auf die Welt zu kommen“,
und sich in uns ein bestimmter „psychologischer Wirbel“
konzentriert und entwickelt, der sich beispielsweise Spanien, oder
Deutschland, oder Tansania... nennt, dann sind wir „Spanier“,
„Deutsche“, „Tansanier“... Dieser psychologische
Wirbel macht uns ihm gleich und zu seinem Ebenbild. Nicht nur psychologisch
betrachtet. Er bringt Kehlkopf, Geschmack, Geruchssinn, Gehör...
mit sich in Einklang. Niemals versiegt diese Quelle, die der fruchtbaren
(und dreisten) Brustwarze des psychologischen Euters entspringt,
aus der wir alle saugen mußten/müssen, bis wir die „Identität“
A oder B annehmen (Konditionierung, Umnachtung, „Erkrankung“...);
vielmehr ergießt sie unaufhörlich ihre „nahrhafte“
psychologische Milch in unser Bewußtsein. Uns wird eine psychologische
DNA eingeflößt, ja eingeimpft. Das sind wir. Das treiben
wir. Das leben wir. Wir reagieren – nicht handeln –
in Übereinstimmung mit dem festgelegten Code oder der psychologischen
DNA, in Übereinstimmung mit dem, was die große psychologische
Brust ohne Unterlaß in uns hinterließ/hinterläßt.
Wir werden tun und machen, denken, glauben, empfinden..., wir „sind“,
weinen, singen, leiden, wünschen, träumen, und sterben
in Übereinstimmung mit einer Handvoll Glaubensbekenntnissen,
Ideen, Traditionen, Sitten, Angewohnheiten... (Hinterlassenschaft,
Erbe, kultureller Nachlaß, „Identität“...),
was nichts weiter als irgendein psychologischer Wirbel ist. Das
gleiche gilt für die „Identität“ oder das
„Persönlichkeitsbild“ eines jeden einzelnen, das
in derselben Abhängigkeit gebildet wird.
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Wer begriffen hat, daß diese psychologische DNA
uns lebt, daß sie wir ist, daß bis zu den
Gedanken, die wir für unsere ureigensten halten,
alles aus ihr folgt, und daß wir von diesem Ausgangspunkt
aus und ihm gemäß reagieren (reagieren ist
nicht handeln), der wird mit einem leuchtenden, lichten
Hieb die psychologische Nabelschur durchschlagen, die
alles miteinander verbindet, und wird „sterben“,
psychologisch betrachtet, und all das hinter sich lassen,
um dieses zweite Mal geboren zu werden (Bakakaba, Tranvía
Nr. 51, „Miradas Ibéricas“); zwangsläufig,
wenn wir wissen – entdecken – wollen, was
es mit der befreienden und klärenden Verwandlung
auf sich hat.
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Música
Conexiones
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Fotos
Oben links Goya. Disparates.
"Torheit in Säcken" (Los ensacados) (Detail).
Aus dem Katalog "GOYA" der Fundación
Juan March für die Ausstellungen 1988 in der Bayerischen
Akademie der Schönen Künste (München),
dem Haus der Jugend (Wuppertal-Barmen) und dem Stadtmuseum
Düsseldorf. Fotografie: Alfonso C. Pérez.
Mitte (oben und unten) Muzanda.
Foto von Andrea Mesecke. Algarve, Portugal, 1978 |
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Und schon ist jeder einzelne nicht mehr das, was das Gewirr,
oder Sammelsurium, von Bestandteilen, aus dem sich die psychologische
DNA jedes x-beliebigen (psychologischen) Wirbels zusammensetzt
– in den es uns verschlagen hat/verschlägt, damit
wir uns die Arbeit machen, auf die Welt zu kommen –,
aus ihm auch immer gemacht habe/macht.
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Die „Identität“ ist ein Glaube. Sie wirkt
trennend, fördert Intoleranz, sie umwölkt. Es geht
nicht darum, den Glauben zu wechseln, ihn durch einen anderen
zu ersetzen, sondern darum, vollends frei zu sein von jeglichem
Glauben, damit dieser uns nicht unfähig macht (behindert),
das Leben auf neue Weise anzugehen: ohne Verhaltensroutinen
(Gerinnsel) und befreit von der ererbten Konditionierung,
die als höchster Schöpfer aller „Wahrheiten“
der Welt gilt, auf der wir uns leibhaftig befinden.
© Carlos Miragaya, Düsseldorf,
1999
Veröffentlicht in deutscher Übersetzung
von Andrea Mesecke in TRANVÍA, Revue der Iberischen
Halbinsel, Heft 53, zum Thema "Identität".
Berlín, 1999
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